Untertor

Wer kann und mag sich heute vorstellen, dass 1875 das Großherzogliche Bezirksamt in Überlingen den Markdorfer Stadtrat mahnte, den Untertorturm abzubrechen, damit der schmale Torbogen den Verkehr nicht länger behindere.

Man hat nicht gefolgt - und besitzt heute in dieser Stadt ein städtebauliches Juwel: den Torturm mit den Bossenquadern an den Ecken, den Treppengiebeln und dem rundbogigen Tordurchgang mit Sandsteinkapitellen an beiden Seiten. Wer unter dem eigentlichen Turm steht, der merkt wohl, dass der Turm selbst sehr schmal ist. So ist leicht verständlich, dass die Markdorfer neun Jahre nach der Bedrohung durch die Bermatinger Bauern - also 1534 - den Vorbau als Torverstärkung anbrachten.

Man vermutete, dass im Untertorturm das Markdorfer Untersuchungsgefängnis untergebracht war, wo Delinquenten „besibnet“ wurden. Diese Bezeichnung besagt, dass in Markdorf sieben Richter (Räte) Verhöre durchführten. Bei Zivilstrafsachen bestand für die Bürger die Möglichkeit, das Recht zu vertrösten: so bereinigten wohlhabende Bürger die Strafsache mit der Zahlung einer bestimmten Geldsumme.

Am Untertorturm begann im letzten Jahrhundert die Nachtwächterrunde, die nichts mit Romantik zu tun hatte. Nachtwächter standen auf der untersten Stufe der Lohnskala. Sie waren froh, wenn ihnen die Stadt einen Mantel als Dienstkleidung zugestand und sie ihren kargen Lohn als Leichenträger aufbessern konnten.